Schiffelhau

Sie hat so gut wie ausgedient und fristet auf manch ehemaligem Bauernhof ihr Dasein in einem alten Geräteschuppen mit wurmigem Stiel und verrostetem Blatt. Mancher Gartenfreund jedoch benutzt sie noch immer. Sie gehört zur großen Gruppe der landwirtschaftlichen Handarbeitsgeräte, den Hacken und Hauen. Die Schiffelhau ist eine Weiterentwicklung jener ersten, einfachen Grabstöcke, über einen, abgewinkelt, an einem Holzstiel befestigten Knochen, zu ersten geschäftelten Hacken der Römer. Es gab eine Unzahl Hauen, ähnlicher Art, in den verschiedenen landwirtschaftlichen Anbaugebieten. Je nach Verwendungszweck und Bodenbeschaffenheit, hatte das Blatt eine andere Form. Unsere Rheinische Feldhacke, mit dem nahezu rechteckigen Blatt, war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hier im Hunsrück ein unverzichtbares Handarbeitsgerät. Es war in der Zeit der Rodung und Urbarmachung von Ödland, Niederwald und Heideflächen. Durch Viehauftrieb und Überweidung ehemaliger Wälder waren im Laufe der Jahrhunderte die Heiden entstanden. Es war das sogenannte „Hölzerne Zeitalter“, in der das Holz knapp geworden war. Im Zuge einer neu eingeführten Wald- und Forstwirtschaft, begann man, solche Flächen zu kultivieren. Hälftig baute man einen geschützten Wald an und als Ausgleich dafür, überließ man den Bauern die restlichen Flächen, um Ackerland zu gewinnen. Nachdem die wenigen Bäume gefällt waren, kam die „Schiffelhau“ zum Einsatz. Nur wenig unter der Grasnarbe, so dass die Graswurzeln noch in der Erde blieben, begann die mühsame Arbeit des „Schiffelns“ (schüffeln, schuffeln = abschälen des Grasbewuchses). In Fronarbeit standen die Bauern in gebückter Haltung tagelang auf den Rodungsflächen, schiffelten den „Wasem“, schlugen Dornen und Hecken und gruben Baumwurzeln aus. Nach einigen Tagen der Trocknung zündete man die auf Haufen geworfenen Grassoden und Wurzeln an. Die zurückgebliebene Asche wurde anschließend auf der Fläche verteilt und diente als Dünger der ausgelaugten Böden. Im Herbst riss man die Erde auf und säte vor allem Fichten- und Kiefersamen in die zukünftigen Waldflächen. In die entstehenden Ackerflächen streute man im kommenden Frühjahr Hafer, welcher dem Boden weitere Nährstoffe zufügte. Im Jahr danach konnte schon Korn geerntet werden, was die Ernährungslage der Bevölkerung verbesserte. Wo sich diese ehemaligen Rodungsflächen befanden, kann man heute an den Flurnamen erkennen. Auf der Heide, im Schöpselfeld (Schippseler), in der Frankenheck, an den Fichten (Fichten wurden in dieser Zeit erstmals ausgesät und angepflanzt). Später wurden „Schuffelmaschinen“ entwickelt. So die Rüben und Gemüsehackmaschinen, die keimendes Unkraut wenige Zentimeter unter der Oberfläche anhob und anschließend verdorren ließ. Der heutige Gartenfreund benutzt ein „Schuffelhäckchen“ zum Unkrautjäten und die „Schiffelhau“ um das Kraut auf dem Pfad „abzuschiffeln“. Richtet er sich dann nach einer halben Stunde „Schiffeln“ wieder auf, kann er anhand seines müden Rückens nachempfinden, welch harte Arbeit unsere Vorfahren damals leisteten.

Joachim Bender

Foto: Joachim Bender