De Nälschesbaam
Guten Abend, gut’ Nacht,
mit Rosen bedacht,
mit Näglein besteckt,
schlupf unter die Deck’:
Morgen früh, wenn Gott will,
wirst du wieder geweckt.
Was so vor rund zweihundert Jahren in Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano unter dem Titel Gute Nacht mein Kinde veröffentlicht und später von Johannes Brahms als Wiegenlied vertont wurde, lässt manch einen modernen Menschen, hinsichtlich des Gute-Nacht-Wunsches „mit Näglein besteckt“, geradezu schaudern. Nach der gängigen Interpretation des Gedichtes, sollen mit dem Begriff Näglein allerdings keinesfalls Nägel vom Bau, sondern getrocknete Gewürznelken gemeint sein, die hinsichtlich ihres Geruches dazu geeignet gewesen sein sollen Ungeziefer vom schlafenden Kind fernzuhalten. Der Platt schwätzende Hunsrücker hingegen hat noch eine weitere Deutung parat: In etlichen Gärten ist der Gemeine Flieder (Syringa vulgaris) zu finden, der im Dialekt Nälschesbaam genannt wird. Einem Kind neben duftenden Rosen auch blühenden Flieder mit seinem angenehmen, intensiven Geruch ins Bettchen zu legen, kann der Hunsrücker jedenfalls absolut nachvollziehen.
Hermann Mosel