Grumbeer

„Die gut, alt Grumbeer, mer sieht se jo ball nor noch im Super- ore uff em Wochemaart.“ Die grünen Felder mit den lila, oder weißen Blüten, sie sind fast verschwunden auf dem Hunsrück. In einigen alten Bauerngärten kann man sie noch bestaunen. Dabei ist die Kartoffel, wie sie in Hochdeutsch genannt wird, eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel auf unserem Planeten. So wurden 2017 388 Millionen Tonnen auf 19,3 Millionen Hektar weltweit geerntet. Rund 5000 Sorten dieser Nachtschattengewächse sind bekannt. Über die Kanaren gelangte sie Mitte des 16. Jahrhunderts aufs europäische Festland und wurde ab 1783 in Preußen angebaut. Man kannte sie bis dahin nicht, hatte auch keinen Namen für diese Gewächse mit ihren unterirdischen Knollen. Erste botanische Bezeichnungen aus dem 16. Jahrhundert lauteten: „erdnusz, erdfeigen, grundeichel, grundbirne“. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich im Rheinland „Grundbirne – Grumbier – Grombeer“ durch. Erdäpfel und Knollen sind weitere Bezeichnungen. Das Hochdeutsche Wort Kartoffel leitet sich von „tartufolo“ ab, dem Italienischen Wort für Trüffel, mit denen man die Knollen wohl anfangs verwechselt hatte. Zu Zeiten meiner Kindheit in den 60er Jahren bis in die 70er hinein wuchsen sie hier in nahezu jedem landwirtschaftlichen Betrieb. Nun, da sie von den Feldern verschwunden und mit ihnen auch die Rebhühner (Feldhinkel), die sich von den Larven der Kartoffelkäfer ernährten, sind nur noch Erinnerungen an diese Zeit geblieben. Auf die mühselige Arbeit des Aufsammelns in gebückter Haltung verzichten wir heute gerne. Einzig dem „Gehäischnis“ des Nachmittagskaffees am Kartoffelfeuer trauert man noch nach. Der halb Vier Uhr Zug nach Simmern war für uns immer das Signal zum Kaffee im Feld. Der frische „Quetschekuche“ mit lauwarmem Kaffee und die in der Glut des Feuers gegarten „Grumbeere“ waren ein Genuss. Unser ehemals großer Bauerngarten ist mittlerweile auf ein kleines Überbleibsel geschrumpft. Einige wenige Reihen „Grumbeere“ wachsen dort noch immer. So ist es wohl der Prägung in der Kindheit geschuldet, dass noch heute zwei Hände voll mittelgroßer Kartoffeln in Alufolie in der Glut des Grillfeuers garen. Die Erzählungen von damals, als mein Großvater derart versessen auf die Kartoffeln aus dem Feuer war, dass er sie mitsamt der Schale und den angekokelten Stellen regelrecht verschlang, erwärmen nur noch teilweise. Bratkartoffeln und „gerappte Kieschelscher“, stehen auf meinem persönlichen Speiseplan immer noch ganz oben. „Wenn se uhe aanfänge ze bliehe, kannst de se unne kriehe“, ist eine alte Bauernregel, die anzeigt, wann man die ersten Kartoffeln ernten kann. Die Freude der Bauern über eine reiche Ernte damals unterscheidet sich nicht von der Freude eines Kleingärtners heute.

Foto: Meine Rekordgrumbeer (1035 Gramm.) aus dem Jahre 2013.

Joachim Bender